Anna Kilchenmann von der Fachstelle UND zeigt eine Massnahme eines Unternehmens: das intern nun bekannte Lohnbreitbandmodell der Elibag AG. Bild: Nicole D'Orazio
16 Schreinerbetriebe haben am Pilotprojekt «Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben» des VSSM und der Fachstelle UND teilgenommen. Ende Mai trafen sich alle zum Schlussevent, um Erfahrungen auszutauschen und einige ihrer Massnahmen aufzuzeigen. Ein Erfolg.
80 Prozent der Schweizer Arbeitnehmenden wünschen sich flexible Arbeitszeiten. Speziell die Randzeiten möchten sie individuell gestalten. Wenn sie das könnten, würden viele Teilzeitangestellte sogar mehr arbeiten wollen. Das hat eine repräsentative Umfrage 2024 des Schweizer Verbands der Personaldienstleister Swissstaffing und des Markt- und Sozialforschungsinstituts GFS-Zürich aufgezeigt. Auch in der Schreinerbranche spielt die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben eine immer grössere Rolle. Deswegen hat der Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM) mit der Fachstelle UND 2023 ein entsprechendes Pilotprojekt lanciert.
16 unterschiedlich grosse Schreinerbetriebe aus der Deutschschweiz haben am Projekt teilgenommen und beschäftigten sich intensiv mit dem Thema. Nach mehreren gemeinsamen Anlässen und viel Arbeit in den Unternehmen hat Ende Mai der Schlussanlass bei der Loosli AG in Wyssachen BE stattgefunden.
Über 60 Massnahmen erarbeitet
In den rund zwei Jahren haben die Mitarbeitenden der Fachstelle UND mit den Betrieben über 60 Massnahmen geplant und wenn möglich umgesetzt. Dazu wurden in jedem Unternehmen Analysen und eine Mitarbeitendenbefragung durchgeführt. Es sei wichtig, die Angestellten miteinzubeziehen und mit auf den Weg zu nehmen, sagte Projektleiter Tobias Oberli. Bei der Ferienplanung zum Beispiel hat sich die Ziehli AG aus Lobsigen BE mit den Betriebsferien beschäftigt und sich nach Absprache mit der Belegschaft für deren Beibehaltung entschieden. Die Loosli AG hat die App «Beekeper» eingeführt, um alle Mitarbeitenden zu erreichen und zu informieren.
Zwei Arbeitszeitmodelle eingeführt
Mit der Flexibilisierung der Arbeitszeiten beschäftigten sich nahezu alle Betriebe. David Hawker, Mitglied der Geschäftsleitung der Schlup Schreinerei in Rapperswil BE, berichtete von der Einführung eines Winter- und Sommerarbeitszeitmodells. «Wir haben eine Wochenarbeitszeit von 40 bis 43 Stunden definiert», sagte er. «Zudem haben wir Pflichtzeiten eingeführt. Im Winter müsse die Belegschaft fix zwischen 7.30 und 16 Uhr anwesend sein, im Sommer zwischen 7 und 15.45 Uhr. Wer will, könne die Arbeit schon um 6 Uhr aufnehmen. Am Abend könne bis spätestens 18 Uhr gearbeitet werden. «Wir haben unsere Mitarbeitenden in die Pflicht genommen, sich selbst zu organisieren», sagte Hawker. Nach einer Anlaufzeit von rund einem halben Jahr habe sich das eingependelt. «Die einen waren zu Beginn etwas scheu, wirklich früher aufzuhören. Aber das hat sich gelegt.» Die Zeiterfassung erfolgt auf Vertrauensbasis. Stichproben zeigen keine Ungereimtheiten. «Die Planung und Organisation sind zwar aufwendiger, doch die Arbeitszeitmodelle lohnen sich für uns.»
Ein anderes Beispiel zeigte die Elibag AG aus Elgg ZH auf, die ihr Lohnbreitbandmodell nach Funktionen transparent gemacht hat. Die Mitarbeitenden wüssten so, nach welchen Kriterien die Gehälter definiert werden und wo sie in etwa stehen.
Ein Resultat für die ganze Branche
Die Freude und Zufriedenheit bei den Unternehmerinnen und Unternehmern waren gross. Die meisten Erwartungen an das Projekt aus dem Kick-off konnten erfüllt werden. «Ich freue mich sehr über den Einsatz und die geleistete Arbeit», sagte VSSM-Direktor Daniel Furrer. «Dieses Projekt soll etwas anstossen und die Erfahrungen und Resultate in die Branche hinausgetragen werden.» Beim VSSM wird demnächst ein Leitfaden zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ausgearbeitet und der Branche zugänglich gemacht.
Nicole D’Orazio
Zu weiteren Informationen über das Pilotprojekt «Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben»