Weniger ist mehr

Woche: 
21
Jahr: 
2019
Rubrik: 
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MesseAuftritt.  Der Stand an Messen gilt als teuer und arbeitsaufwendig. Doch der Schreiner kann sich mit einfachen Mitteln Aufmerksamkeit verschaffen. Ein durchdachtes Konzept und der Mut zur unkonventionellen Umsetzung erzielen oft eine grosse Wirkung.

Neulich in Mailand an der Möbelmesse, da war ein Stand eines japanischen Sperrholz-Formteile-Herstellers. Ein Produkt für Sitzschalen und Ähnliches, wie sie Hunderte von Firmen weltweit fertigen. Man konnte nicht wirklich in den Stand hineinsehen, weil ein Vorhang aus feinem und dünnem japanischem Papier bis unter die Augenhöhe die Einsicht versperrte – ein Hauch von nichts. Die Formteile darin waren von der Decke in unterschiedlichen Höhen abgehängt. Man schaute überwiegend zu ihnen auf und bevor dies möglich war, musste der Besucher sein Haupt etwas senken, um einzutreten in die Landschaft aus räumlich gekrümmten Holzteilen. Ganz so wie die Begrüssungszeremonie in der japanischen Kultur, verlangte das Standkonzept vor dem ersten Blickkontakt eine Verbeugung. Freilich gab es auch Besucher, die das Papier einfach mit der Hand nach oben hoben. So wussten die Aussteller noch bevor ein Wort gewechselt wurde, wer zu ihnen passen könnte.

«Es gibt immer welche, die es nicht verstehen und dann einfach weiterlaufen. Diejenigen, die sich wundern, was der Papiervorhang soll, sind auch nicht die Kunden für den Aussteller. Aber diejenigen, die es verstehen, fühlen sich schon allein dadurch angesprochen. Alle kann man nicht glücklich machen und sollte deshalb keine Furcht davor haben, dass eine Präsentation nicht von jedem verstanden wird», sagt Thomas Hasslinger, Inhaber der Hasslinger Messe Manufaktur AG im zürcherischen Tagelswangen. Oft seien es nur wenige Besucher, die die Sache wirklich ergründen, aber das reiche auch meist schon. Denn wer die erste Hürde nicht schaffe, der schaffe auch die zweite nicht, sagt Hasslinger.

Den Fokus finden

Schreiner gestalten Lebensräume. Sie denken sich tief in die Bedürfnisse ihrer Kunden hinein und finden Lösungen; gestalterisch, technisch und auch bezüglich des vorhandenen Budgets. Doch für sich selbst das Gleiche zu leisten, die ausgetretenen Denkpfade zu verlassen, ist nicht einfach. Dabei kann man einen Messestand durchaus auch als ein Produkt des Schreiners denken. Nur, für einen selbst ist es ungleich schwieriger. Wie sonst ist es zu erklären, dass Schreiner auf regionalen Messeveranstaltungen ihre Standfläche immer wieder mit ihren Produkten vollstellen und der Betrachter nicht herausfindet, was der Aussteller eigentlich zeigen will?

«Das Gefühl, dass man die gesamte Bandbreite an Dienstleistungen und Produkten zeigen will, ist bei der Messestandplanung fehl am Platz. Die Besucher fühlen sich durch eine solche Präsentation meist erschlagen», erklärt Stefan Westmeyer, Inhaber von Westmeyer Design Werk in Luzern. Es gehe bei einer Präsentation immer darum, den Fokus daraufzulegen, worum es wirklich gehe. Es gehe darum, ein übergeordnetes Thema zu finden, sich selbst klarzumachen, was denn eigentlich die Neuheit sei und wie man Kunden ansprechen wolle, das erklären die Experten unisono. Kein Trost ist, dass nicht nur kleine und mittlere Unternehmen das zu selten beachten, sondern auch grosse Firmen und Konzerne regelmässig am Messekonzept vorbeirutschen. Viele Unternehmen kämen einfach nicht mehr aus ihrer Komfortzone heraus, wie Hasslinger es nennt. «Ein Logo, ein Brand allein reicht nicht lange hin», sagt der Experte. Irgendwann kommt einer, der besser ist, und dann ist der Anfang vom Ende schon in Sichtweite. Und genau deshalb sind die zahlreichen Lehrbuch-Checklisten für den erfolgreichen Messeauftritt mehr als fragwürdig. Sie kratzen oft noch nicht mal an der Oberfläche des wirklich erfolgreichen Messeauftrittes.

Der Schreiner kann es besser

Wer es schafft, bei der Präsentation auf das zu fokussieren, worum es ihm wirklich geht, kann ganz nebenbei seine Geschichte erzählen. Das Produkt steht dabei im Vordergrund und braucht eine Bühne, die am Ende auch noch bezahlbar sein muss. Eine gelungene Messepräsentation kann dabei durchaus ganz einfach sein. «Es kommt auf die konzeptionelle Idee an, nicht auf das Budget, den Kühlschrank und die Standfläche», sagt Hasslinger.

Unter Umständen ist der Schreiner so nahe am Gestaltungs- und Konzeptionsgeschehen, dass er fast zu nah dran und gewisserweise betriebsblind ist, vielleicht ist er auch zu praktisch denkend. Allenfalls braucht es nur eine Initialzündung von aussen, alles andere kann der Schreiner selbst machen. «Aber wer kommt schon im Alltag auf die Idee, den Tisch an die Decke zu hängen oder ihn sonst ganz anders zu zeigen?», sagt Hasslinger.

Türöffner aus Resten

Für den Bau von Messeständen können durchaus Halbteile oder auch Materialreste dienlich sein. Fallen in der Fertigung etwa immer gleiche Stücke als Reste an, kann man damit kreativ werden und einen Messestand kreieren, der ganz bestimmt das Prädikat «einzigartig» trägt. Man muss sich klarmachen: «Ein Türöffner ist immer nur eine Sache und nicht alles zusammen. Das kann auch etwas Unfertiges sein, etwas, das neugierig macht, um mit den Besuchern ins Gespräch zu kommen», erzählt Stefan Westmeyer.

Die meisten Schreiner haben nicht eine bestimmte Produktpalette, sondern wollen ihre Dienstleistung verkaufen. Das könnte exemplarisch mittels Materialien oder Oberflächen geschehen. Gemäss Westmeyer sei die entscheidende Frage immer, wie man etwas rüberbringe. «Ein Brett in einem dunklen Raum mit Licht inszeniert, hat eine ganz andere Wirkung als eine komplette Schrankfront aus dem Holz.» Wenn man das Brett also aus dem gewohnten Kontext holt und es gewissermassen auf einem Silbertablett serviert, ist das für den Besucher interessanter als eine ganze Küche oder Ähnliches.

Wer etwas erlebt, kann davon erzählen

Thomas Hasslinger stellt einem kommenden Aussteller oft die gleiche erste Frage: Was hat man davon, wenn man sich die Produkte, wie etwa eine Küche, überhaupt ansieht? Vielleicht braucht und sucht man gar keine, also was bringt einen trotzdem dazu? «Das schafft man mit einem Erlebnis, das hängenbleibt», sagt der Experte.

Ein Beispiel: Ein Küchenhersteller hat vor einigen Jahren in Mailand, wo bei den Messepräsentationen oft echte Materialschlachten geschlagen werden, einen Stand komplett aus prall gefüllten Tomatenkisten gezeigt. Das war zwar ungewöhnlich, hat aber seine Wirkung nicht verfehlt: Die «Tomatenwände» erfüllten nach der Veranstaltung einen guten Zweck. Der Messestand wurde buchstäblich aufgegessen. Drinnen wurde auch gekocht, natürlich Pomodori. Damit hatte das Unternehmen schon durch die Wände eine Geschichte zu erzählen. Das Erlebnis war die Geschichte, die man einfach nur noch sehen musste. «Ein Messegestalter, der erst mal nach dem Bedarf für einen Kühlschrank fragt, wie viele Sitzplätze die Theke haben muss und so weiter, der verliert schon während der Planung», sagt sich Hasslinger.

Der Standard kommt am Ende

Das ganze organisatorische, praktische und technische Einmaleins eines Messeauftrittes gehört natürlich auch dazu. Das Ziel des Messeauftrittes einer Firma und was sie ausmacht, gehören zusammen. Will man Gastgeber sein und serviert etwas zu essen? Wird dieses auf einem Holzbrett oder auf Papptellern gereicht? «Das entscheidet natürlich auch über den Eindruck, den man als Unternehmen beim Besucher hinterlässt, und ist deshalb auch wichtig», sagt Westmeyer. Aber hier gilt ebenfalls: Weniger ist mehr. Enscheidend ist zudem das Beleuchtungskonzept. «Kaltweisses Flutlicht macht die Stimmung schnell kaputt», sagt Westmeyer.

Informationen zu Aspekten wie Standpersonal, Kleidung, Einladungen und die Messenachbereitung kann man überall nachlesen. Dass aber alle Mitstreiter vor Ort frühzeitig mit eingebunden werden, schreibt kaum einer und wird oft unterschätzt. Dabei geht es doch vom Anfang bis zum Ende vor allem um eines: um Begeisterung.

www.hasslingermessemanufaktur.chwww.westmeyer.ch

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