Mächtige Kursleiter, betrunkene Vögel

Woche: 
9
Jahr: 
2019
Rubrik: 
Verbandsinfo

75 Jahre Bürgenstock.  Es gibt haarsträubende Geschichten, die von früheren Zeiten im Schreinerhaus überliefert sind. Einzelne entstammen wohl der Gerüchteküche, nicht aber jene von Schreinermeister Kurt Frauchiger (70) aus Zihlschlacht TG aus den 70er-Jahren.

SchreinerZeitung: Sie haben 1974 mit 26 die Schreinermeisterprüfung abgelegt und sind heute noch als Prüfungsexperte tätig. Seit 45 Jahren gehen Sie auf dem Bürgenstock ein und aus. Welches sind die grössten Veränderungen, die Sie in dieser Zeit erlebt haben?

Kurt Frauchiger: Als ich 1972 zum ersten Mal von der Ostschweiz auf den Bürgenstock «pilgerte», hatte ich den Eindruck, dass die Umwandlung vom reinen Schreinerfachmann zum Schreiner als Unternehmer begonnen hatte. Dem damaligen Kursleiter Josef Mäder waren die kaufmännischen Fächer wichtig. Heute bilden die unternehmerischen Fächer ein Hauptgewicht in der Meisterausbildung. Ganz gewaltig sind die Zunahme der Studierenden und die Ausweitung der Lektionenzahlen bis zu den eidgenössischen Prüfungen.

Erzählen Sie uns doch etwas über den damaligen Unterricht.

Der Kursleiter hatte damals eine grosse Machtfülle. Kein Student traute sich, eine andere Meinung zu haben, zumal der Kursleiter auch die Meisterprüfungen und deren Ergebnisse beeinflusste. Es gab immer nur zwei Meinungen: seine und eine falsche! Ich selber hatte ein gutes Einvernehmen mit dem Kursleiter, denn er hatte am ersten Kurstag bemerkt, dass ich Stenografie beherrschte. Meine Bemerkung, so könne ich mir den Unterricht schneller aufschreiben und später nachvollziehen, hat ihn sehr beeindruckt.

Haben Sie noch ein Müsterchen?

Im Avor-Kurs wollte uns der Kursleiter einige Unterlagen mit nach Hause geben, jedoch hatte er nur seine von Hand geschriebenen Notizen. So fragte er mich und einen Kameraden, ob wir abends seine Notizen mit Schreibmaschine auf Matrizen schreiben würden, damit er allen eine Vervielfältigung mit nach Hause geben könne. Wir taten ihm den Gefallen und schrieben jeweils bis 22 Uhr auf einer Olivetti-Schreibmaschine seine Texte auf. Anschliessend offerierte er uns eine Flasche dunkles Bier und eine Portion Käse. Am anderen Morgen hatte er die Kopien bereits erstellt.

Erzählen Sie uns doch noch etwas über die Zeit an den Abenden.

Die Abende waren immer speziell, wir übernachteten entweder im Trogen oder im Hotel Waldheim. Nach dem Nachtessen ging es häufig mit grosser Gruppendynamik entweder ins Rotzloch in Stansstad oder in den Pilatuskeller in Hergiswil. Während des Maschinistenkurses, in dem am anderen Morgen praktische Arbeit angesagt war, gingen wir ab und zu erst gegen 2 Uhr ins Bett, hingegen bei Theoriekursen schon zwischen 23 und 24 Uhr. Dann blieben wir auch eher im Restaurant Trogen. Da erinnere ich mich an eine lustige Geschichte. Im Trogen hatte unsere Wirtin, Frau Barmettler, einige Wellensittiche in einem Käfig, mitten in der Restaurantstube. Im Laufe eines fröhlichen Abends tauschten wir das Trinkwasser der Vögel mit saurem Most und beobachteten das Verhalten der Vögel. Ich weiss nicht mehr genau, wie sie das überlebten, aber herumgetorkelt im Käfig sind sie schon. Damals war es übrigens nicht unüblich, bereits zum Znüni im Trogen das Faustbrot mit einem Kafischnaps herunterzuspülen.

Sie haben 1974 die Meisterprüfung abgelegt. Lief es gut?

Ja, sie ist mir sehr gut gelungen, ich war einer der Besseren, die Nichtbestehensquote lag bei etwa 30 %. Doch im Vorfeld hatte ich völlig überraschend einen Brief der Zentralstelle für berufliche Weiterbildung in St. Gallen erhalten. Darin stand, ich solle die Prüfung trotz erhaltener Zulassung des VSSM verschieben, denn die Zentralstelle sei der Meinung, dass ich aufgrund der Leistungsnachweise, die ich bei ihr absolviert hatte, nicht genügend darauf vorbereitet sei. Dieser Brief gab mir zu denken, doch natürlich zog ich meine Prüfungszulassung nicht zurück. Der Erfolg gab mir dann Recht.

Episoden aus der Geschichte

Während des diesjährigen 75-Jahr-Jubiläums der Höheren Fachschule Bürgenstock (HFB) blickt die SchreinerZeitung mit einer losen Serie auf die Geschichte der VSSM-eigenen Bildungsstätte zurück. Interessierte können im Wettbewerb auf der Jubiläumsseite der HFB attraktive Preise gewinnen.

www.75-jahre-hfb.ch

RR, sz

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