Mit einem überarbeiteten Messekonzept stellte die diesjährige Living Kitchen in Köln (D) die Küche als modernen Lebensraum in den Fokus. Das Konzept setzte sich zusammen aus den drei Themengebieten «Future Technology», «Future Design» und «Future Food Styles». Es befasste sich also mit der vernetzten Küche, mit den gestalterischen Zukunftsvisionen und den künftigen Ess- und Kochgewohnheiten.
Zum Thema «Future Design» stellte der renommierte Schweizer Designer Alfredo Häberli seine Vision von der Küche der Zukunft vor. Diese war an der Messe in einer grünen Leichtbaustruktur ausgeführt und aufgrund ihrer spartanischen Einrichtung nicht auf den ersten Blick als Küche zu erkennen. So erschloss sich auch das Motto «Sense & Sensuality», also Sinn und Sinnlichkeit, unter welches Häberli sein Konzept gestellt hatte, erst auf den zweiten Blick. Denn tatsächlich war die Küche ausgestattet mit virtuellen Küchengeräten.
Gläserner Kühlschrank
Die Geräte wurden für die Besucher durch das Einscannen von elf über den Messestand verteilten QR-Codes auf dem Handy oder dem Tablet sichtbar. So etwa das mobile Kochfeld oder der von der Decke absenkbare Backofen, welcher als Wärmehülle konzipiert ist und sich in der Grösse, und so auch beim Energieverbrauch, den jeweiligen Backwaren anpasst. Oder der horizontale Kühlschrank, dessen Inhalt dank gläserner Wände ohne ständiges Öffnen jederzeit sichtbar ist. Mit dessen Abwärme können Tiefkühlprodukte aufgetaut oder Teller vorgeheizt werden. Häberlis Entwurf zeichnet sich durch eine konsequente Schonung der Ressourcen aus.
Bei dieser visionären Technik erstaunt es, dass die Geräte ohne smarte Vernetzungen auskommen. Doch für den Designer genügt auch in Zukunft ein Ein- und Ausschaltknopf. Die Küche sieht er als Werkstatt und Seele des Hauses, als Feuerstelle, um die man rundum sitzt, und als Bindeglied zu den angrenzenden Wohnzonen.
Mittelpunkt des Zusammenlebens
Als Messe in der Messe ist die Living Kitchen wie eine Perle, die von der IMM Cologne als Muschel umschlossen wird. Ein Spiegelbild also von der aktuellen Lebens- und Wohnsituation. Denn auch dort hat sich die Küche während der vergangenen Jahre zum wertvollen Mittelpunkt des Zusammenlebens entwickelt. Sie steht für einen bestimmten Lifestyle und verrät in der Gestaltung so einiges über ihren Besitzer. Natürlich war an der Messe die Küche zu sehen, die sich nicht zwingend zum Kochen eignet, sondern viel mehr als Statussymbol dient. Sie ist nicht besonders praktisch, dafür repräsentiert sie aber einen gewissen Lebensstandard.
Noch häufiger jedoch fand man die Küche, in welcher sich der Hobbykoch ausleben kann. Die Küche mit praxisbezogener Anordnung der einzelnen Elemente, grosser Arbeitsfläche, guter Beleuchtung und genügend Stauraum. Dabei zeigte sich, dass eine hohe Praxistauglichkeit in keiner Weise im Gegensatz steht zu ansprechendem Design.
Ansprüche in Einklang gebracht
Lange Zeit waren die Küchen von geschlossenen Schränken und Schubladen geprägt. Alle Kochutensilien waren fein säuberlich verstaut und die Abstellflächen – allenfalls mit Ausnahme der Kaffeemaschine – freigeräumt. Je mehr die Küche jedoch in den Wohnraum hineinwuchs und je mehr sie zum Zentrum des gesellschaftlichen Lebens wurde, desto offener wurde die Gestaltung. Offene Nischen und Regale prägten das Bild und die Küchen an den Messen glichen zeitenweise einem riesigen Setzkasten, in welchem auch vollkommen zweckfremde Objekte ausgestellt wurden. Die Küchen waren zwar schön anzusehen, dafür litt oftmals die Praxistauglichkeit.
An der Messe in Köln hatte man den Eindruck, dass die beiden Ansprüche in Einklang gebracht worden sind. Die Küchen verfügten über ausreichend geschlossene Kästchen und Schubladen, um die weniger repräsentativen Utensilien wie Kochtöpfe, Backformen und Vorräte zu verstauen, ohne dabei stets auf eine perfekte Ordnung zu achten. Daneben wurde der strenge Charakter der geschlossenen Flächen mit gezielt eingesetzten Regalen, offenen Fächern und Nischen aufgelockert.
Ein Gestaltungselement fiel besonders ins Auge: relingartige Vorrichtungen, an welchen Einzelbehältnisse aufgehängt werden konnten. Ob mit eingefrästen Nuten, Griffprofilen oder aufgeschraubten Leisten, das Prinzip erlaubt eine variantenreiche Küchengestaltung und eine flexible Anpassung an veränderte Küchentrends.
Rückbesinnung auf alte Werte
Dieses Jahr waren namhafte Hausgerätehersteller wie BSH, mit seinen Hauptmarken Bosch, Siemens, Gaggenau und Neff, sowie Miele und V Zug nicht an der Messe vertreten. Durch ihre Abwesenheit rückte das Design wieder stärker in den Vordergrund. Dieses war geprägt von harmonischen Farbkombinationen, oft in Pastellfarben oder ruhigen Erdtönen.
Die Details waren meist auf sehr einfache konstruktive Art gelöst und verliehen den Küchen einen robusten und natürlichen Charakter. Auffällig war, dass Holz noch immer auf dem Vormarsch ist – und dies nicht mehr nur in Form von Eiche. Von der kühlen stylischen Küche, die mehr Ausstellungsobjekt als Lebensraum ist, entfernen sich die Gestalter weiterhin.
Die Wahl der Farben und Materialien steht für eine Rückbesinnung auf alte Werte: In der Küche von morgen steckt viel von der Küche von gestern.
Pure Talents Contest
Tragbarer Dunstabzug überzeugt
Mit 926 Einreichungen aus 69 Nationen verzeichnete der Nachwuchsdesigner-Wettbewerb «Pure Talents Contest» ein breites Teilnehmerfeld. Erstmals wurden die Innovationen aus dem Küchenbereich als eigenständiges Wettbewerbssegment bewertet.
Mit dem Dunstabzug «The portable Kitchen Hood» ging der Sieg fast ein bisschen in die Schweiz. Denn dessen Schöpfer, der französische Designer Maxime Augay, arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der École cantonale d’art de Lausanne, wo er auch seinen Masterstudiengang in Produktdesign absolviert hat.
Der bewegliche Dunstabzug saugt die Kochdämpfe direkt über der Pfanne ab. Er ist ausgestattet mit einem Ölfilter, welcher der Luft die Fette entzieht, und einem Aktivkohlefilter, über welchen die gereinigte Luft wieder in den Raum zurückgeführt wird. Ein Handgriff dient zum Versetzen des Dunstabzugs oder dazu, diesen aufzuhängen und ihn damit platzsparend zu versorgen.
Erwähnt für überaus zukunftsorientierte Entwürfe wurden das kompakte Küchenlabor des deutschen Designers Peter Sorg sowie das aus dem Kürbisgewächs Luffa bestehende Reinigungsset für die Küche der in Schweden tätigen, chinesischen Designerin Jingbei Zheng.
www.imm-cologne.deDurch Passagen zu neuen Ideen
Parallel zum Messedoppel IMM Cologne und Living Kitchen eröffneten die Passagen der Interior Design Week Köln bereits zum 30. Mal die internationale Designsaison. Die Passagen zeichnen sich aus durch eine Vielzahl von Ausstellungs-Hotspots in der Kölner Innenstadt. Sie werden umrahmt von Vernissagen, Konzerten und Events. Die teilweise recht ausgefallenen Objekte stammen von Gestalterinnen und Gestaltern mit unterschiedlichstem beruflichen Hintergrund.
Wer sich auf den Stadtrundgang macht, um sich inspirieren zu lassen, der sollte sich vorgängig einen Übersichtsplan besorgen. Sonst kann der Bummel durch Kölns Strassen zu einer anstrengenden Odyssee werden.
www.voggenreiter.com