Schreinerarbeiten «en miniature»

Woche: 
49
Jahr: 
2018
Rubrik: 
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Handwerkstradition.  Weihnachten ist der beste Katalysator für den Verkauf von Spielwaren. Das Spielzeugweltenmuseum in Basel zeigt auf, dass die filigranen Holz-Puppenhäuser früher auch anderen Zwecken dienten als der reinen Freude.

Der Rundgang durch das vierstöckige Spielzeugweltenmuseum ist wie eine Reise in die Vergangenheit. «In jeder Vitrine wird eine eigene Geschichte erzählt», erklärt Museumsleiterin Laura Sinanovitch das Ausstellungskonzept. Die Fertigung von Puppenhäusern reicht zurück bis in die Barockzeit, als die adligen Herrscher zur Demonstration ihres Standes bei Kunsthandwerkern Einzelmodelle ihrer Schlösser in Auftrag gaben und sich dabei teilweise hoch verschuldeten. Die Namen der Hersteller sind nicht bekannt, und es sind auch keine Zeichnungen erhalten geblieben.

Spielzeug zu Repräsentationszwecken

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts änderte sich die Bedeutung von Puppenhäusern minim. Auftraggeber war nun das gehobene Bürgertum, das für seine Nachkommen auch Schulzimmer, Kaufmannsläden und Apotheken fertigen liess. Gespielt wurde damit kaum, sondern sie dienten wiederum vor allem der Repräsentation. Auf Wiedergabe im Massstab legte man keinen Wert. Auch aus dieser Zeit sind dem Museum keine Pläne oder Hersteller bekannt. Entsprechend sind die Entstehungsjahre nicht definitiv zu bestimmen.

Ein Puppenhaus für die Erziehung

Die detaillierte Nachbildung der Lebensumstände spielte eine wesentliche Rolle. Geschirr, Vorhangstoffe, Polsterstühle, Holzmöbel und Tische, Teppiche und Bodenbeläge, Kleidung und Puppen wurden von verschiedenen Handwerkern aufs Sorgfältigste gefertigt. Ob das Zusammengestellte immer der gleichen Zeit entspringt, sei jedoch fraglich, sagt Sinanovitch im Hinblick auf die Datierung. «Stuben dürfen in unserem Haus auch wachsen.»

Das «Doggetekänschterli» aus der Zeit um 1880 bis 1890 ist das einzige Schweizer Exponat dieser Art in der Ausstellung. Es handelt sich um ein Puppenhaus im schlichten Holzkasten («Känschterli») mit Mobiliar, Gebrauchsgegenständen und Puppen («Docken»), auf Baseldeutsch also «Doggetekänschterli». Die Möglichkeit zum Verschliessen des Kastens zeigt, dass der Wohlstand nicht mehr demonstriert werden sollte. Zu erkennen ist auch die Entwicklung hin zum Spielzeug für Kinder, die Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen hatte. Gespielt wurde unter Aufsicht, um sie zu einer bestimmten Lebensweise zu erziehen. In der Fertigung von Kaufmannsläden und Puppenstuben ist ab 1900 und mit Beginn der Serienfertigung eine Verflachung der Qualität erkennbar. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde Spielzeug zum industriellen Massenprodukt, oft aus Plastik gefertigt und importiert. Doch ein Handwerkszweig knüpft an die Kunstfertigkeit der Vergangenheit an: jener der Miniaturen. Im Unterschied zu den historischen Vorgängern wird bei diesen höchster Wert auf die Massstabstreue von 1:12 gelegt.

So auch bei den filigranen Möbeln eines gewissen Eleisa, die in einer Vitrine zu sehen sind. Eleisa ist ein Pseudonym des Italieners Flavio Schiavo. Der Schreiner fertigt seit 20 Jahren Miniaturen. In diesen fand er neben der Restauration antiker Möbel eine zweite Leidenschaft. Zu Schiavos Arbeiten zählen nicht nur Nachbildungen von Originalen wie beispielsweise der Sekretär von Napoleon Bonaparte, sondern auch eigene Entwicklungen. Akribisch hat er die zeitgenössischen Einrichtungen seiner Mini-Wohnwelten und Werkstätten recherchiert. Neben der Fähigkeit zur Fertigung von Entwurfszeichnungen brauche das Geduld, Forschungsarbeit und technisches Verständnis, sagt er. Als Erfolgsfaktor sieht er ausserdem seine 45 Jahre Berufserfahrung.

Was der Schweizer Markt hergibt

Die Schweiz gehört nicht zu den grossen Spielzeugproduzenten, früher und heute. Während in Deutschland, Frankreich und in den Niederlanden durch die Industrialisierung die Nachfrage einer kaufkräftigen Oberschicht die Produktion ankurbelte und Innovationen beschleunigte, blieb es hierzulande im 19. Jahrhundert vorwiegend bei Einzelanfertigungen.

Dennoch haben in der Schweiz Dreirad, Holzlastwagen und Schaukelschnecke von Wisa-Gloria fast Kultstatus. Doch als eine der ältesten Spielzeugmanufakturen weltweit, gegründet 1881 in Lenzburg AG, kämpft das Unternehmen heute ums Überleben. Nach der Hochphase in den 1960er-Jahren stand man durch die Welle asiatischen Plastikspielzeugs nur wenig später fast vor dem Aus.

Gemäss den Annäherungswerten des Marktforschungsinstituts GFK hatte Holzspielzeug im vergangenen Jahr mit drei bis fünf Prozent einen geringen Anteil am Schweizer Spielzeugmarkt, in dem 470 Millionen Franken umgesetzt wurden. Immerhin: Der Anteil bleibt konstant. Lichtblicke für das Holzspielzeug sind Erfolgsgeschichten wie jene der Trauffer Holzspielwaren AG in Hofstetten bei Brienz BE mit den bekannten Holzkühen. Oder auch jene der Cuboro AG in Hasliberg Reuti BE, die insbesondere mit ihrem aus Buchenholz gefertigten Kugelbahnsystem bekannt geworden ist. Auch die Wisa-Gloria AG gibt nicht auf. Sie fokussiert auf eine kleine Produktion und ergänzt ihr Portfolio um Erzeugnisse europäischer Manufakturen.

www.wisagloria.com

Museum für Gross und KLein

Teddys, Puppenstuben, Miniaturen

Dieses Jahr hat das Spielzeugweltenmuseum Basel sein 20-Jahr-Jubiläum gefeiert. Aus der Privatsammlung der Gründerin Gisela Oeri hervorgegangen, besitzt das Haus heute über 10 000 Objekte und zählt jährlich 70 000 Be- sucher. Schwerpunkte sind die gröss- te Sammlung alter Teddys weltweit, Kaufmannsläden und Miniaturen. Die aktuelle Sonderausstellung «Mut zum Hut» dauert noch bis 7. April, die Weihnachtsausstellung «Design am Weihnachtsbaum» bis 10. Februar.

www.spielzeug-welten-museum-basel.ch

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